Benedikt Vogel
Zwei Wärmequellen für grosse Gebäude
Wärmepumpen nutzen in der Regel Umweltwärme aus einer einzigen Quelle. Ein Forschungsprojekt der Ostschweizer Fachhochschule zeigt nun: Gerade bei der Versorgung grösserer Bestandsbauten kann es sinnvoll oder sogar notwendig sein, die Wärme von zwei Quellen heranzuziehen. Das kann zwar zu komplexeren Anlagen führen, bringt in vielen Fällen aber energetische und auch finanzielle Vorteile mit sich.
Für Heizung und Bereitstellung von Warmwasser werden in Neubauten heute überwiegend Wärmepumpen (WP) eingesetzt. Auch in Bestandsbauten finden diese Systeme zunehmend Verbreitung und lösen dabei fossile Heizsysteme ab. Dabei ist das Funktionsprinzip immer dasselbe: Wärmepumpen nutzen die in der Aussenluft, im Erdreich oder Grundwasser und Seen enthaltene Umweltwärme und «pumpen» diese auf die gewünschte Nutztemperatur. So lässt sich drei- bis viermal so viel Wärme erzeugen, wie die WP an Strom für den Betrieb braucht.
Wärmepumpen nutzen in der Regel eine einzige Wärmequelle. Heute ist das in drei von vier Fällen die Umgebungsluft. Bei grösseren Bauten wird nach Möglichkeit Erdwärme genutzt. Es kann jedoch Fälle geben, wo eine einzige Wärmequelle nicht ausreicht, wie Prof. Carsten Wemhöner von der Ostschweizer Fachhochschule (OST) sagt: «Das kann insbesondere bei grösseren Bestandsbauten mit hohem Wärmebedarf und einer Heizleistung über 50 kW der Fall sein, wenn nicht genügend Platz vorhanden ist, um die nötige Zahl von Erdwärmesonden zu bohren, oder wenn die Bohrtiefe begrenzt ist. Die gleiche Ausgangslage ergibt sich, wenn der Einbau einer hinreichend gross dimensionierten Aussenluft-WP zu viel Lärm verursacht.» In solchen Fällen kann der Beizug einer zweiten Wärmequelle Abhilfe schaffen: Die zusätzliche Wärmequelle kompensiert die zu geringe Grösse des Sondenfelds, oder sie erlaubt es, die Aussenluft-WP kleiner (und damit leiser) zu bauen.
Sondenfeld schrumpft überproportional
Wie aber sieht das Zusammenspiel zwischen zwei Wärmequellen bei der Versorgung eines Mehrfamilienhauses konkret aus? Und: Ist der Beizug einer zweiten Quelle finanzierbar? Diese Fragen haben Carsten Wemhöner und ein OST-Forschungsteam mit Gebäude- und Anlagensimulationen untersucht. Mit den Simulationen wurden Wohngebäude mit einer Heizlast zwischen 60 und 240 kW (entspricht einigen bis mehreren Dutzend Wohnungen) nachgebildet. Das dreijährige Projekt mit Unterstützung des BFE wurde jetzt im Herbst 2023 abgeschlossen.
Ausgangspunkt der Berechnungen war ein mittleres Mehrfamilienhaus, das bisher mit einer Gasheizung versorgt wurde und neu mit Umweltwärme beheizt wird. Um den Wärmebedarf dieses Hauses zu decken, wäre eine WP mit einer Heizleistung von rund 120 kW erforderlich. Um diese Leistung mit einer Erdsonden-WP zu erreichen, wären 12 Erdsonden mit 280 m Tiefe im Abstand von jeweils 10 Metern erforderlich. So viel Fläche für das Sondenfeld ist in städtischen Gebieten aber oft nicht vorhanden. In diesem Fall – so schlagen die OST-Forscher vor – könnte die Heizleistung auf eine Erdsonden- und eine Aussenluft-WP mit jeweils 60 kW Heizleistung verteilt werden. Hierbei würde die Aussenluft-WP den Grundbedarf decken, die Erdsonden-WP hingegen nur für Bedarfsspitzen an kalten Tagen eingesetzt.
Mit dieser Doppellösung halbiert sich die benötigte Leistung der Erdsonden-WP. Das Interessante dabei: Das zugehörige Sondenfeld kann nicht nur um 50%, sondern sogar um 75% verkleinert werden, wie Berechnungen zeigen (vgl. Grafik 1). Tatsächlich braucht es für den Betrieb der 60 kW-Erdsonden-WP nur drei Erdsonden. Warum das so ist, begründet Wemhöner so: «Die Leistung aus den Erdsonden wird selten abgerufen und dabei relativ wenig Energie entnommen, zudem kann sich das Erdreich um die Erdwärmesonden besser regenerieren.»
Zweite Wärmequelle regeneriert das Erdreich
In einem zweiten Teilprojekt untersuchten die Forscher wieder ein gemischtes Heizsystem mit einer Erdsonden-WP und einer zweiten Wärmequelle (Luftwärmetauscher, Solarkollektoren, PVT-Kollektoren). Die zweite Wärmequelle dient primär zur Regeneration der Erdwärmesonden, kann aber bei Wärmeüberschuss auch zur direkten Deckung des Heiz-/Warmwasserbedarfs eingesetzt werden. Unter Regeneration versteht man die Rückführung eines Teils der Wärme, der in den Wintermonaten der Erde entzogen wurde. Regeneration ist in vielen Fällen nötig, um das langfristige Auskühlen des Erdreichs zu vermeiden. In diesem Fall trägt die Erdsonden-WP die gesamte Heizlast. Sie muss folglich auf die volle Wärmequellenleistung von ca. 90 kW ausgelegt werden.
Das Zwei-Quellen-System hat noch einen anderen Vorteil: Dank Regeneration des Erdsondenfelds können die Sonden dichter gebohrt werden. Im vorliegenden Fall haben die Berechnungen ergeben, dass zum Beispiel durch den Einsatz einer Erdsonden-WP mit zusätzlichem Luft-Wärmetauscher mit 60 kW Leistung die Sondenzahl von 12 auf 8 reduziert werden kann. Dabei gilt: Je mehr Energie in die Regeneration des Sondenfelds gesteckt wird, desto enger können die Sonden verlegt bzw., desto stärker kann ihre Zahl reduziert werden. Simulationen zeigen, dass das finanzielle Optimum (tiefste Jahreskosten) bei einem Regenerationsgrad zwischen 60 und 80% erreicht wird.
Zwei Quellen mitunter günstiger als eine
Können Erdsondenfelder kleiner ausgelegt werden, erleichtert das den Einsatz von Wärmepumpen in städtischen Gebieten. Auch in finanzieller Hinsicht gibt es bemerkenswerte Vorteile, denn das Bohren von Erdsonden ist teuer. Nach Berechnungen der OST-Forscher sind die Einsparungen so gross, dass dadurch der Zusatzaufwand für die Nutzung der zweiten Wärmequelle in vielen Fällen kompensiert oder sogar überkompensiert wird. Einfach ausgedrückt: Ein Zwei-Quellen-System kann über den Lebenszyklus hinweg günstiger sein als ein System mit einer einzigen Wärmequelle. «Wir ziehen daraus den Schluss, dass eine Wärmepumpen-Lösung mit zwei Quellen auch bei Mehrfamilienhäusern sinnvoll sein könnte, selbst wenn sich diese durch eine einzige Quelle versorgen lassen», sagt Wemhöner.
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