Raumluftqualität-Display 33 x 25 cm mit Angabe CO2-Konzentration, von Rotronic. Kann verwendet werden als Indikator für Lüftungsbedarf, je nach Anspruch z.B. bei CO2-Gehalt über 1000 ppm. (Foto: zVg)
Irène Kostenas* / PW
Raumluftqualität im Fokus
Die Covid-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Raumluftqualität für unsere Gesundheit ist. Da wir über 90 % unserer Lebenszeit in Innenräumen verbringen, erfordert die Sicherstellung gesunder Raumluft mehr Aufmerksamkeit. Gute Belüftung schützt vor Infektionen, steigert das Wohlbefinden und mindert Gesundheitsrisiken.
Bundesamt für Gesundheit (BAG)
Abgesehen von der Zeit zwischen 1914 und 1921, als das Amt zum Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD) wechselte, gehört das BAG seit seiner Gründung zum Eidgenössischen Departement des Innern. Der Aufgabenkreis des BAG nahm im Laufe des 20. Jahrhunderts stetig zu, etwa mit der Zuständigkeit für die Tuberkulosegesetzgebung (Bundesgesetz von 1928) oder der AIDS-Prävention (EpG Art 5).
Interview mit Roger Waeber, Leiter Fachstelle Wohngifte, Direktionsbereich Gesundheitsschutz des Bundesamts für Gesundheit (BAG)
Das BAG kann auf eine lange Historie blicken – bis zurück ins Jahr 1893. Der erste Direktor war Johann Friedrich Schmid (1850 – 1916), der für Massnahmen gegen Cholera und Pest verantwortlich war und die Tuberkulose bekämpfte, eine wie Covid luftübertragene Krankheit.
Wann wurde die Fachstelle Wohngifte gegründet? Gab es einen spezifischen Anlass, gibt es eine spannende Geschichte dazu?
Roger Waeber: Als um die Jahrtausendwende herum das Schweizerische Giftgesetz durch das Chemikaliengesetz abgelöst wurde, hatte der Bundesrat vorgeschlagen, darin auch eine gesetzliche Grundlage für die Regulierung der Innenraumluft zu schaffen. Nach ausführlichen und auch kontroversen Diskussionen um diesen sogenannten Wohngift-Artikel wurde dem Bund ein Informationsauftrag zur Innenraumluft erteilt (Artikel 29 des Chemikaliengesetzes). Im BAG wurde in der Folge die Fachstelle Wohngifte eingerichtet, die sich seit 2005 um diese breite Thematik kümmert.
Womit beschäftigen Sie sich die letzten 10 Jahre? Was sind die Themen der Fachstelle Wohngifte?
Waeber: Unser Ausgangspunkt ist die Gesundheit und das Wohlbefinden in Innenräumen, und wie diese durch die Beschaffenheit der Innenraumluft beeinträchtigt werden können. In den letzten zehn Jahren haben wir uns auf die Lufterneuerung in Gebäuden fokussiert. Denn eine gute Durchlüftung von Innenräumen ist eine zentrale Voraussetzung für eine gute Raumluftqualität, für Gesundheit, Wohlbefinden und intellektuelle Leistungsfähigkeit. Gut durchlüftete Räume tragen auch zum Schutz vor luftübertragenen Infektionen bei. In einem dichten Gebäude stellt sich die nötige Lufterneuerung aber nicht einfach ein, und das manuelle Fensterlüften stösst an seine Grenzen. Die Lufterneuerung muss deshalb geplant werden. Dies geht aber noch viel zu häufig vergessen, weil das Bewusstsein dazu fehlt.
Das BAG und Ihre Abteilung leistet beim Paradigmenwechsel der Übertragungswege von SARS-CoV-2 (Covid) hervorragende Arbeit mit Aufklärungsvideos, Faktenblättern für den Einsatz von Raumluftmonitoring und Luftreinigern sowie einem umfassenden Positionspapier für Betreiber. Nun haben Sie erneut Pionierarbeit geleistet - zusammen mit dem SIA (Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein).
Waeber: Wir hatten bereits von der Coronapandemie begonnen, auf die Bedeutung der Lufterneuerung in Gebäuden aufmerksam zu machen. Und zwar dort, wo sie besonders sichtbar wird: in dicht belegten Räumen wie Schulzimmern. Dazu haben wir im März 2019 die Informationskampagne „Frische Luft für wache Köpfe“ gestartet [1]. Mit der Pandemie bekam das Thema rasch mehr Aufmerksamkeit und entsprechend haben wir auch unsere Bemühungen für eine bessere Information der Bevölkerung verstärkt. Dies führen wir nun weiter mit einer gezielten Information der Akteure beim Bauen und Renovieren.
Sie waren Fachreferent der allerersten WHO Europa Raumluftkonferenz, die 2023 in Bern stattfand und vom Chief Scientist der WHO, Sir Jeremy Farrar, und dem Direktor der WHO Europa, Hans Kluge, mehrfach lobend erwähnt wurde. Wie haben Sie die Konferenz erlebt?
Waeber: Ich beschäftige mich seit über zwanzig Jahren mit der Innenraumluft und hatte häufig den Eindruck, dass dieses Thema ein Schattendasein führt. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass die Raumluft endlich die Aufmerksamkeit erhält, die sie angesichts ihrer Bedeutung für die öffentliche Gesundheit auch verdient.
Verschiedene Organisationen brachten die Raumluftqualität in die Vernehmlassung betreffend Revision und damit Verbesserung des Epidemiengesetzes (EpG) ein. Diese Vorschläge lauten, aerogene (luftübertragene) Pathogene neu unter Artikel 5) Nationale Programme direkt unter HIV einzufügen, die Förderung der Raumluftqualität neu unter Artikel 8) Vorbereitungsmassnahmen und die Überwachung der Raumluft in Artikel 11) Überwachungssysteme einzusetzen. Wenn das klappen sollte, welche Auswirkungen könnte das auslösen?
Waeber: Nach den schon lange geltenden Bau- und Lüftungsnormen müssen Innenräume je nach ihrer Nutzung ausreichend gut durchlüftet sein. Wäre dies konsequent umgesetzt, hätten wir weniger Fälle der luftübertragenen Infektionskrankheiten, die uns jede Saison begleiten. Und wir hätten bauseitig bessere Voraussetzungen bei einem Extremereignis wie eine Pandemie. Die gesundheitliche Dimension guter Raumluftqualität reicht aber weit darüber hinaus – deshalb sollten wir uns grundsätzlich für eine gute Lufterneuerung in Gebäuden einsetzen. Eine bessere Sensibilisierung von Planenden und Bauherrschaften ist daher nötig. Unsere neue Information „Gute Raumluft richtig geplant“ in Zusammenarbeit mit dem SIA soll dazu einen Beitrag leisten [2].
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt Schulbehörden, Kinder mit Long Covid mittels Lüften und Luftfilterung vor Reinfektionen zu schützen. Siehe dazu: 4-seitiges Informationsblatt „Post-Covid-19-Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen“ für Schulleitungen, Lehrpersonen und schulische Fachpersonen. Herausgeber: Bundesamt für Gesundheit (BAG), Juni 2024 [3].
Interview mit Joëlle Goyette Pernot, Professorin an der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg, Radonbeauftragte des Bundesamts für Gesundheit (BAG) für die Westschweiz und Präsidentin des Observatoriums für Innenraumluftqualität in der Westschweiz und im Tessin (ORTQAI)
Seit wie vielen Jahren beschäftigen Sie sich mit der Innenraumluftqualität?
Joëlle Goyette Pernot: Ich arbeite nun seit 15 Jahren an der Qualität der Innenraumluft. 2009 erhielt die HEIA-FR (Hochschule für Technik und Architektur Freiburg) von der Eidgenossenschaft den Auftrag, die Radondelegierten des Bundesamts für Gesundheit (BAG) für die Westschweiz zu stellen, eine Funktion, die ich seither ausübe. Ohne Zeit zu verlieren, haben wir Radon als einen der Luftschadstoffe betrachtet, und unsere Forschung hat die Innenraumluft in ihrer Gesamtheit adressiert, dabei auch das Radon einbezogen. Wir haben ohne Verzögerung versucht, Experten auf diesem Gebiet auszubilden, indem wir den CAS in Innenraumluftqualität an der HES-SO (Hochschule für Wirtschaft und Technik) entwickelt haben. Leider war der Markt damals noch nicht reif, und wir konnten das Programm nicht fortsetzen. Nur etwa zehn Personen wurden damals ausgebildet.
Wie ist die Schweizer Radonkarte entstanden und welche Aufgaben haben Sie? Gibt es Neuigkeiten zum Thema Radon? Was kann getan werden, um dieses Problem besser zu lösen?
Goyette Pernot: Die Radonkarte ist das Ergebnis des Engagements der Abteilung Strahlenschutz des BAG, die sich bereits Anfang der 1990er-Jahre mit dem Thema Radon befasst hat. Es wurden mehrere nationale Messkampagnen in Gebäuden organisiert, mit Unterstützung der Kantone, um das Radonkataster zu erstellen. Die aktuelle Karte ist das Ergebnis einer Weiterentwicklung dieses Katasters im Rahmen der Revision der Strahlenschutzverordnung, die im Januar 2018 in Kraft trat. Auf der Karte kann für jeden Punkt die Wahrscheinlichkeit abgelesen werden, die gesetzlich festgelegte Referenzwertgrenze von 300 Bq/m³ zu überschreiten. Ziel dieser Karte ist es, die Radonüberwachungsmassnahmen in bestehenden Gebäuden, insbesondere in Schulen (Art. 164 Strahlenschutzverordnung), zu priorisieren, aber auch auf die Notwendigkeit von präventiven baulichen Massnahmen in Neubauten oder sanierten Gebäuden hinzuweisen (Art. 163 Strahlenschutzverordnung). Die Interpretation dieser Karte ist jedoch nicht immer optimal, insbesondere bei Fachleuten aus der Bauwirtschaft oder Bauherren. Sie sollte daher als eines der Werkzeuge zur Risikobewertung des allgegenwärtigen Radonrisikos in der Schweiz betrachtet werden.
Die drei Radondelegierten, zu denen ich gehöre, nehmen an verschiedenen Arbeiten des BAG im Rahmen des Radon-Aktionsplans 2021-2030 teil, der derzeit in Umsetzung ist. Dieser Plan zielt darauf ab, den langfristigen Schutz vor Radon im Gebäudebestand zu verbessern, die Wahrnehmung und Bewertung des Gesundheitsrisikos zu stärken, die Kompetenzen im Bereich Radon zu erhöhen und die Arbeitnehmersicherheit zu gewährleisten.
Es ist heute wissenschaftlich anerkannt, dass energetische Sanierungsmassnahmen in Gebäuden zu einer Verschlechterung der Innenraumluftqualität führen können und insbesondere die Ansammlung von Radon begünstigen, wenn keine ausreichende Belüftung sichergestellt wird. Dies konnten wir im Rahmen des Projekts Mesqualair (2013–2016) nachweisen, was durch zahlreiche andere nationale und internationale Studien unterstützt wird [4].
Das Verständnis des Radonrisikos muss in der Bevölkerung verbessert werden. Eine bessere Wahrnehmung der mit diesem Risiko verbundenen Herausforderungen sollte eine fundiertere Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglichen. Trotz der Bemühungen, in den Herbstmonaten oder bei energetischen Renovierungsarbeiten oder Umbauten auf das Risiko aufmerksam zu machen, bleibt noch viel zu tun, um die Bevölkerung umfassend zu sensibilisieren.
Parallel dazu wurden in den letzten Jahren grosse Anstrengungen durch das BAG unternommen, um die Ausbildung von Fachleuten im Bauwesen zu verbessern. Dies betrifft alle Berufsgruppen, vom Maurer über Architekten bis hin zum Radon-Berater. Das Ziel ist, diese Fachleute sowohl zu sensibilisieren als auch entsprechend auszubilden, um der wachsenden Nachfrage nach Planung und Umsetzung von Radon-Schutzmassnahmen gerecht zu werden. Die Radondelegierten engagieren sich besonders in der Ausbildung von Radon-Beratern, aber wir tragen auch zu vielen anderen Fortbildungsprogrammen bei. In unserem Fall arbeiten wir auch mit europäischen Partnern zusammen, unter anderem mit der Region Franche-Comté in Frankreich, mit der wir nach dem Interreg-Projekt Jurad-Bat ein Universitätsdiplom zum Thema Radon und Innenraumluftqualität entwickelt haben. Die Anmeldungen für die 3. Jahrgangsstufe im Jahr 2025 sind bereits geöffnet.
Mit Unterstützung des BAG und anderer Partner werden wir bald ein neues Forschungsprojekt starten, das Projekt EVAL2Rn, das ein digitales Werkzeug zur Risikobewertung der Radonbelastung vor dem Bau und der Renovierung von Gebäuden entwickeln wird [5]. Ziel ist es, die Kompetenzen der Fachleute zu verbessern, Massnahmen frühzeitig zu planen und Kosten zu reduzieren, die durch eine unzureichende Berücksichtigung des Risikos entstehen. Wir hoffen, so einen Beitrag zur besseren Integration dieses Themas in den Bauprozess zu leisten.
Was ist das ORTQAI?
Goyette Pernot: Das ORTQAI oder „Observatoire romand et tessinois de la qualité de l'air intérieur“ (Westschweizer und Tessiner Observatorium für Innenraumluftqualität) ist ein junges, 2022 gegründetes Institut, dessen Hauptaufgabe es ist, den Zustand der Innenraumluftqualität in Gebäuden zu dokumentieren und zu bewerten, wobei ein ganzheitlicher und interdisziplinärer Ansatz verfolgt wird [6]. Das Observatorium möchte Informationen zusammentragen, die es ermöglichen, die Faktoren, welche die Innenraumluftqualität betreffen, besser zu beschreiben und zu verstehen. Diese Informationen stammen aus internationalen wissenschaftlichen Studien und werden durch Feldmesskampagnen ergänzt, um spezifische Situationen zu bewerten. Durch die Identifikation von Risikosituationen und die Bestimmung von Schadstoffquellen trägt das Observatorium, in Zusammenarbeit mit den Behörden, zu Sensibilisierungs- und Präventionsmassnahmen bei und gibt Empfehlungen zur Verbesserung der Innenraumluftqualität. Durch ein Netzwerk von Experten für Umweltbelastung wird ein multidisziplinärer Ansatz gewährleistet, der die wissenschaftliche und technische Qualität der übermittelten Informationen sicherstellt.
Die nächste ORTQAI-Tagung findet am 20. März 2025 in Freiburg statt und wird sich mit dem Thema der Kommunikation über die Herausforderungen der Innenraumluftqualität und der Gesundheitsrisiken befassen.
Wie hat sich Ihre Arbeit durch Covid verändert?
Goyette Pernot: Seit der Covid-Pandemie stellen wir eine zunehmende Nachfrage nach Unterstützung in Bezug auf das Radonrisiko fest, insbesondere von Bauunternehmen, aber auch von einigen privaten Bauherren. Das ist ein sehr positives Signal. Zu den Hebeln gehören sicherlich die Labels für nachhaltiges Bauen, die eine verstärkte Berücksichtigung des Radonrisikos fordern, wie zum Beispiel die Einhaltung des Werts von 100 Bq/m³ (der von der WHO 2009 empfohlen wurde), die Strahlenschutzverordnung mit ihrem Artikel 164 zu Schulen sowie einige junge Familien, die sich des Risikos bewusst sind und es für ihre Kinder möglichst minimieren möchten.
Seit dieser Zeit haben wir auch ein Projekt in 24 Schulen im Kanton Freiburg durchgeführt, das Projekt SCOl’AIR-FR [7]. Die ersten Ergebnisse wurden im vergangenen Jahr in der Fachzeitschrift Tracés (Oktober-Ausgabe 2023) veröffentlicht und werden auch in einer Podiumsdiskussion am 04.12.2024 in Freiburg zum Thema Belüftung in Schulen vorgestellt. Interessanterweise haben die guten Belüftungsgewohnheiten, die während der Pandemie in den Klassenzimmern eingeführt wurden, häufig unter den Energiemassnahmen im Winter 2023 gelitten. Nichts ist selbstverständlich. Der Luftaustausch in diesen Einrichtungen erfordert weiterhin besondere Aufmerksamkeit.
Covid hat also sicherlich zu einer gewissen Sensibilisierung beigetragen. Diese Zeit hat das Bewusstsein für die Innenumgebung geschärft, in der wir mehr als 80 % unserer Zeit verbringen. Dennoch bleibt die Kommunikation ein entscheidender Punkt, der verstärkt und verbessert werden muss, um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, damit die Berücksichtigung der gesundheitlichen Qualität dieser Umwelt kein Nebenschauplatz, sondern ein alltäglicher Bestandteil des Lebens jedes Einzelnen wird.
Bessere Luft in Innenräumen
SRF Nano berichtete im November 2023 über das Projekt SCOl’AIR-FR und die erste WHO/Europa Raumluftkonferenz in Bern und führte Interviews mit Joëlle Goyette, Antoine Flahault, Institut für globale Gesundheit (Genf), Dorota Jarosinska, WHO Europäisches Zentrum für Umwelt und Gesundheit (Bonn) und weiteren Fachleuten durch (vgl. 6-Minuten-Video [8]).
*Autorin: Irène Kostenas, Unternehmerin, Grünliberale Partei Zürich (Kreis 1+2), Schweizer Verein für Luft und Wasser (SVLW) und Geneva Health Forum (GHF)
Quellen
[1] https://schulen-lueften.ch
[4] https://www.heia-fr.ch/fr/recherche-appliquee/instituts/transform/projets-de-recherche/mesqualair/
[7] https://www.heia-fr.ch/fr/recherche-appliquee/instituts/transform/projets-de-recherche/scol-air-fr/