Das Kühlturmwasser wird aus dem Becken unterhalb des Kühlturms in die Kondensatoren im Maschinenhaus gepumpt, um dort die restliche Wärme aus dem Dampf für die Turbinen abzukühlen. (Bilder: zVg/A.Walker)
Andreas Walker
Legionellen in Kühltürmen
Legionellen können die gefährliche Legionärskrankheit verursachen. Sie kommen in fast allen natürlichen Gewässern oder Feuchtgebieten vor, ebenso in Wassersystemen, die von Menschen geschaffen wurden. Auch in Kühltürmen sind sie zu finden und müssen deshalb bekämpft werden.
Legionellen können sich an vielen Orten entwickeln. Sie kommen natürlicherweise in Seen, Teichen und Flüssen vor. Sporadisch werden Legionellen auch in Sedimenten, feuchten Böden, Humus, Kompost, Mischerde für Topfpflanzen, Schlamm und Meerwasser gefunden. Ebenso kommen sie in den verschiedensten Wassersystemen vor, die von Menschen geschaffen wurden. Auch in Kühlkreisläufen mit Kühltürmen können häufig Legionellen gefunden werden.
Für Menschen, die mit Legionellen in Kontakt kommen, besteht eine Ansteckungsgefahr. Diese erfolgt hauptsächlich über das Einatmen von zerstäubten Wassertröpfchen (Aerosole), die Legionellen enthalten. Seltener findet eine Infektion über mit Legionellen kontaminiertem Wasser statt, welches versehentlich in die Luftröhre statt in die Speiseröhre gelangt. Beim Schlucken von mit Legionellen kontaminiertem Waser besteht hingegen keine Gefahr, da die im Magen befindliche Magensäure die Legionellen abtötet. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist zwar grundsätzlich möglich, kommt aber nur extrem selten vor.
Legionellen in Kühlsystemen mit Kühltürmen
Die beiden grössten Kühlsysteme mit Kühltürmen in der Schweiz befinden sich in den Kernkraftwerken Gösgen und Leibstadt. Mit dem Zusatzkühlwasser gelangen die Legionellen stetig in die Hauptkühlkreisläufe der Kernkraftwerke. Dieses Wasser ist als Kompensation erforderlich für die Menge, die im Kühlturm verdampft wird, und wird kontinuierlich der Aare bzw. dem Rhein entnommen. Das Kernkraftwerk Leibstadt entnimmt z.B. dem Rhein pro Sekunde 1000 Liter Wasser. Für den Rhein ist dies eine unerhebliche Menge, beträgt sie doch gerade einem Tausendstel seiner Durchlaufmenge.
In den Kreisläufen finden die Keime schliesslich gute Bedingungen für die Vermehrung. Da Verdunstungskühlanlagen mit Kühltürmen häufig in einem Temperaturbereich von 25 bis 45 °C betrieben werden, herrschen dort für Legionellen gute Wachstumsbedingungen.
Eine Eindämmung der Konzentration ist daher sehr wichtig. Im Kernkraftwerk Gösgen wurden ab April 2012 der vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) für Wasserleitungssysteme empfohlene Richtwert von 10 000 kolonienbildenden Einheiten pro Liter (KBE/l) in mehreren untersuchten Proben deutlich überschritten. Bei der periodischen Messung von Keimen im Hauptkühlwassersystem des Kernkraftwerks Leibstadt wurden im Herbst 2010 Bakterien des Typs Legionella pneumophila über dem Richtwert festgestellt.
Deshalb muss zur Eindämmung der Konzentration der Keime im Kühlwasser in regelmässigen Abständen eine Desinfektion des Systems mit Chemikalien durchgeführt werden. In beiden Anlagen ist es gelungen, die Konzentration von Legionellen im Hauptkühlkreislauf zu reduzieren. Nach der chemischen Behandlung des Wassers lagen die bestimmten Konzentrationen von Legionella pneumophila meistens unterhalb von 10 000 KBE/l.
Desinfektion des Kühlturms Leibstadt
Im September 2015 erhielt das Kernkraftwerk Leibstadt (KKL) die unbefristete Freigabe für die Bekämpfung von Legionellen im Hauptkühlwasser mit Natriumhypochlorit (NaClO) und Wasserstoffperoxid (H2O2). Basis der Freigabe durch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) waren die Stellungnahmen des Bundesamtes für Gesundheit BAG, des Bundesamtes für Umwelt BAFU, des Kantons Aargau und des Landkreises Waldshut. Die Freigabe ist an mehrere Auflagen gebunden, welche primär den Gewässerschutz zum Ziel haben. Das KKL berichtet monatlich über die Biozideinsätze, die Mikrobiologie und die Überwachung der Einleitbedingungen in den Rhein. Im Jahresbericht sowie an den weiterhin jährlich stattfindenden Fachgesprächen mit den Behörden erfolgt eine umfangreichere Berichterstattung und Bewertung.
Bewertung 2022
Der massvolle Einsatz von Natriumhypochlorit und Wasserstoffperoxid sowie die Entleerung, Reinigung und Wartung des Hauptkühlwasser-Systems während der Revision führten zu einer nachhaltigen Verringerung der Legionellenbelastung. Während 90% der Zeit lagen die Legionellen unterhalb des vom BAG festgelegten Eingreifwertes für Kühlsysteme von 10 000 KBE/l. Sporadische Erhöhungen wurden durch zusätzliche Javelierungen rasch bekämpft. Die Jahresmittelwerte variierten von 2000-8000 KBE/l.
Die Behandlungen liefen einwandfrei ab. Die Überwachung des Chlorabbaus im Hauptkühlwasser sowie weiterer Parameter am Ort der Einleitung in den Rhein zeigten, dass die Auflagen für die Einleitung des Kühlwassers in den Rhein stets eingehalten wurden. Die Behörden wurden monatlich und zusätzlich mit einem umfangreichen Jahresbericht unterrichtet.
Das Hauptkühlwassersystem konnte im Berichtszeitraum in einem sauberen und hygienisch guten Zustand gehalten werden (praktisch kein mikrobiologischer Bewuchs wie Algen an Systemoberflächen). Die Kühlturmeinbauten befanden sich auch nach 9 Betriebsjahren weiterhin in einem sehr sauberen Zustand. Die Behandlungen werden analog und innerhalb der unbefristeten Freigabe fortgesetzt. Es besteht kein Handlungsbedarf die Kühlturmdesinfektion anzupassen.
Im November 2018 hat das ENSI dem Kernkraftwerk Gösgen (KKG) die unbefristete Freigabe für die Desinfektion des Hauptkühlwassers erteilt. Das KKG bekämpft die Mikroorganismen im Hauptkühlwasser mit Wasserstoffperoxid und Javelwasser und setzt bei Bedarf Antischaummittel ein. Als Desinfektionsmittel gegen Legionellen wirkt in erster Linie das Wasserstoffperoxid. Javelwasser dient nicht direkt zur Desinfektion, sondern indirekt durch seine Wirkung unter anderem auf die Algenbildung im Kühlturm.
Kernkraftwerke müssen Gewässerschutz einhalten
Bei der Behandlung ist neben dem Gesundheitsaspekt auch der Gewässerschutz von zentraler Bedeutung. Wie andere Betriebe, müssen auch Kernkraftwerke bei der Einleitung von Kühlwasser in Flüsse, das mit Chemikalien behandelt wurde, alle Grenzwerte aus der Schweizer Gewässerschutzverordnung einhalten. Die Grenzwerte in der Schweizer Gewässerschutzverordnung sind so angesetzt, dass nach dem Stand der Technik keine schädigenden Einflüsse auf Menschen und Umwelt verursacht werden.
Der Beitrag an die Verunreinigung der Aare und des Rheins durch die Behandlung des Kühlwassers mit Chemikalien ist unbedeutend. Dies zeigt sich z.B. an der Behandlung im Kernkraftwerk Leibstadt im Zeitraum vom 8. Januar bis 28. März 2013. Insgesamt wurden sieben Dosierungen von 2000 kg 13%ige Javel-Lösung (260 kg Natriumhypochlorit) bei Volllastbetrieb durchgeführt. Die adsorbierbaren organischen Halogenverbindungen (AOX) erhöhten sich im Hauptkühlwasser dadurch im Mittel von 15 auf 225 µg/l, was einer AOX-Fracht von rund 5.3 kg entspricht und verteilt über ca. 1 Woche in den Rhein abgegeben wurde. In den Jahren 2010 bis 2012 betrug die durchschnittliche AOX-Fracht des Rheins in Weil 3269 kg pro Woche, der Anteil des KKL in einer Behandlungswoche beträgt damit 0,16%.
Verbreitung der Legionellen durch Kühltürme
Da die meisten Verdunstungskühlanlagen im Betrieb Aerosole an die Umgebung abgeben, ist es möglich, dass sie eine Quelle für Legionellose-Erkankungen darstellen. In dichten Siedlungsräumen besteht zudem die Gefahr, dass sich Legionellen über unterschiedliche Systeme ausbreiten können und eine Vielzahl von Verdunstungskühlanlagen mit Legionellen belastet werden. Ein Kühlturm auf einem Gebäudedach kann eine Dampffahne von über 1500 m Höhe erzeugen. Je höher die Emissionen steigen, desto weiter ist ihre Verbreitung. Abklärungen von Legionellose-Epidemien haben gezeigt, dass die Dampffahne eines kontaminierten Kühlturms über eine Distanz von mehr als 10 Kilometern von der Emissionsquelle Infektionen verursachen kann. Bei sehr kaltem Wetter mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt kann es zu einer Gefriertrocknung kommen, deshalb können Legionellen in diesem Fall länger überleben.
In Deutschland starben im Januar 2010 fünf Menschen im Raum Ulm an den Folgen von Legionellen-Infektionen. 64 Personen mussten wegen schweren Lungenentzündungen in Spitälern behandelt werden. Die Legionellen stammten aus zwei Kühltürmen eines Blockheizkraftwerks zur Kraft– und Wärmenutzung. Ein anderer Fall ereignete sich zwischen Mitte August und Mitte September 2013 in Warstein. Insgesamt wurden 165 Erkrankungs- und Verdachtsfälle bekannt. Drei Patienten starben. Die Legionellen wurden über ein Rückkühlwerk einer Brauerei verbreitet, welches das Kühlwasser aus dem nahegelegenen Fluss bezog. In der Schweiz werden dem BAG jährlich 190 bis 250 Fälle von Legionellose gemeldet. Jeweils rund sechs bis zehn Prozent der Fälle enden tödlich.