Abwasserwärme

Der Hauswart hat gut lachen: Energie aus dem Abwasserkanal heizt und kühlt das Stadthaus Kriens zuverlässig und umweltschonend. (Bilder: zVg)

27.09.2024
Michael Staub

Im Abwasser steckt noch viel Energie

Die Abwasser-Wärmerückgewinnung ist eine interessante Energiequelle. Mit der richtigen Planung und Umsetzung kann das Potential des Energieträgers sehr gut ausgeschöpft werden. Das zeigen zwei Projekte aus Kriens LU und der Stadt Bern.

Beim Duschen ist die Abwasserwärmenutzung schon lange ein Thema. Seit über 10 Jahren gibt es Systeme wie Joulia, die Schlitzrinnen mit Mini-Wärmetauschern verbinden. So kann das abfliessende Wasser mindestens einen Teil zur Erwärmung des Warmwassers beitragen. Abgesehen davon gilt beim Haushaltsabwasser in den meisten Fällen: Aus den Augen – aus dem Sinn. Damit lässt man einen interessanten Energieträger ungenutzt. Denn laut einem Positionspapier des Verbandes Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) könnten bis zu 10 Prozent des Schweizer Gebäudeparks ihren Wärmebedarf aus Abwasser decken. Besonders interessant: Weil die Temperatur des Abwassers in der Regel zwischen 10 und 25 Grad liegt, kann es sowohl für die Wärme- wie auch für die Kälteerzeugung dienen.

 

Wärme aus dem Kanal

Diese duale Nutzung funktioniert zum Beispiel in der Stadt Kriens. Das 2017 erbaute Zentrum Pilatus ist einerseits zentraler Bürostandort für die Stadtverwaltung, andererseits umfasst es auch einen grossen Veranstaltungssaal, Gewerbeflächen, eine Poststelle und knapp 30 Mietwohnungen. Geheizt und gekühlt wird das Gebäude im Minergie-P-Standard mit Hilfe eines 81 Meter langen Wärmetauschers, der im Abwasserkanal der angrenzenden Schachenstrasse installiert ist. Der Kanal transportiert das gesamte Abwasser vom höher gelegenen Ortsteil Obernau Richtung Kriens und Luzern. Der Durchsatz beträgt mindestens 20 Liter pro Sekunde, auch nachts. Denn der Krienbach, welcher im Pilatusgebiet entspringt und via Obernau und Kriens nach Luzern fliesst, verliert einige hundert Meter oberhalb des Stadthauses sein offenes Flussbett und wird unterirdisch weitergeführt. Dank der grossen und konstanten Durchflussmenge im Kanal kann der Wärmetauscher rund um die Uhr effizient betrieben werden. Über einen Zwischenkreis beliefert er eine reversible Wärmepumpe von CTA. Diese liefert im Winter bis zu 200 Kilowatt Wärme, im Sommer hingegen 50 bis 150 Kilowatt Kälte für das Freecooling.

Die Anlage wurde so ausgelegt, dass 85 Prozent des Wärmebedarfs mit der Wärmepumpe gedeckt werden können. Nur für die restlichen 15 Prozent kommt ein Spitzenlast-Gaskessel mit einer Leistung von 300 Kilowatt zum Einsatz. «Die Wirtschaftlichkeit überzeugt. Die Wärmepumpenanlage kommt dank dieser Dimensionierung auf viele Betriebsstunden und funktioniert optimal. Eine grösser ausgelegte, monovalente Wärmepumpe würde hingegen nur wenige Stunden im Jahr auf Volllast laufen», sagt Cornel Utz, Bereichsleiter HLK bei der Amstein + Walthert Luzern AG, welche für die Planung zuständig war. Die Wärme respektive Kälte wird in der Energiezentrale im Stadthaus in einem Speicher mit jeweils 4000 Litern Volumen gespeichert. Der Wartungsaufwand ist überschaubar, wie Cornel Utz berichtet: «Die Wärmepumpe erhält einen jährlichen Service, damit Öl- und Kältemittelkreislauf sowie die Drücke kontrolliert werden können.» Auch der Wärmetauscher im Kanal benötigt nur wenig Unterhalt. «Normalerweise reicht ein Starkregen oder Gewitter, damit Ablagerungen ausgespült werden», sagt Michael Reinhard, Sales & Project Manager bei der Herstellerfirma KASAG Swiss AG. Dazu kommt eine jährliche Reinigung mit Hilfe eines normalen Spülwagens.

Sitzungszimmer im Stadthaus Kriens: Die Grundlast für Heizen und Kühlen wird via TABS geliefert, als Ergänzung gibt es Heiz-/Kühldecken.

Sitzungszimmer im Stadthaus Kriens: Die Grundlast für Heizen und Kühlen wird via TABS geliefert, als Ergänzung gibt es Heiz-/Kühldecken.

Wärme und Kälte werden von einer grossen, reversiblen Wärmepumpe in der Energiezentrale bereitgestellt.

Wärme und Kälte werden von einer grossen, reversiblen Wärmepumpe in der Energiezentrale bereitgestellt.

Mittels einer grossen FEKA-Anlage kann die Abwärme zurückgewonnen und für die Brauchwassererwärmung genutzt werden.

Mittels einer grossen FEKA-Anlage kann die Abwärme zurückgewonnen und für die Brauchwassererwärmung genutzt werden.

Zuverlässige Lösung

Die Abgabe der aus dem Abwasser gewonnenen Wärme respektive Kälte erfolgt in den Büroflächen der Stadt Kriens als Grundlast über TABS in der Decke sowie ergänzend über Heiz- und Kühldecken. Falls der Bedarf höher ist, kann zusätzliche Kälte von der Wärmepumpe/Kältemaschine bereitgestellt werden. Gemäss Roland Fankhauser, Ressortleiter Verwaltungsliegenschaften bei der Stadt Kriens, sind die Erfahrungen mit dem System sehr positiv: «Wir haben durchs ganze Jahr hindurch eine konstante, angenehme Raumtemperatur um 23 Grad Celsius. Nur bei sehr schwülem Wetter, einige wenige Tage pro Jahr, leidet die Behaglichkeit etwas.» Die städtischen Mitarbeiter seien mit dem System im Grossen und Ganzen sehr zufrieden.

Eine gewisse Trägheit gebe es systembedingt bei schnellem Wetterumschlag: «Unsere Heizung und Kühlung kann nicht auf jeden Temperatursprung sofort reagieren. Doch unter dem Strich haben wir eine sehr zuverlässige und effiziente Lösung.» Als Ergänzung zu den Heiz- und Kühldecken ist in den Büroräumen der Stadt eine mechanische Lüftung installiert. Damit können die Luftfeuchtigkeit und die CO2-Sättigung der Luft auf einem vertretbaren Mass gehalten werden. Die Anlage steht mittlerweile im siebten Betriebsjahr und funktioniert tadellos.

 

Wertvolles Badewasser

Abwasser mit hohen Temperaturen gibt es nicht nur in der Siedlungswasserwirtschaft, sondern auch in Hallenbädern. Die kaskadierte Nutzung des Badewassers gehört deshalb seit längerem zum Standard. Eine der modernsten Anlagen in der Schweiz ist die 2023 eröffnete Schwimmhalle Neufeld in der Stadt Bern. Sie bietet den Bernern ein überdachtes 50-Meter-Schwimmerbecken. Doch nicht nur die Olympiastrecke und die gelungene Architektur sorgen für Begeisterung, sondern auch der ökologische Effort. Die Realisierung erfolgte nach dem Standard Minergie-P-ECO. Dahinter steht ein ausgefeiltes Energiekonzept. Für die Raum-, Luft- und Badewasserheizung wird primär die Abwärme der Kälteanlage genutzt. Diese Anlage produziert Kaltwasser, das zur Luftentfeuchtung benötigt wird. Zudem stellt sie ergänzende Kühlung bereit, falls PV-Anlagen, Notlicht- oder IT-Anlagen nicht ausreichend mit Luft gekühlt werden können.

Das Konzept für die Badewasseraufbereitung ist mehrstufig. Das «abgebadete» Wasser wird zunächst ozoniert. Darauf folgt die Filtrierung mittels Aktivkohle sowie eine Chlorierung. Das benötigte Chlor wird vor Ort mit einer modernen Salzelektrolyseanlage produziert. Für die Brauchwarmwassererwärmung steht eine grosse FEKA-Anlage mit einer Spitzenleistung von 330 kW verwendet. Sie nutzt die im «abgebadeten» Wasser enthaltene Wärme, um das frisch gereinigte Badewasser wieder auf Temperatur zu bringen. Der Wärmetauscher kann den Bedarf auch bei maximaler Auslastung der Schwimmhalle decken. «Gerechnet auf die Fläche der Gebäude sind wir von den Ergebnissen begeistert», sagt Marcel Schüpbach vom Fachcontrolling technische Anlagen bei Hochbau Stadt Bern (HSB). Der aktuelle Brauchwarmwasser-Tagesbedarf kann stark schwanken. Er ist unter anderem von der Anzahl Besucher und deren Duschverhalten abhängig. Und wie in jeder Badeanstalt beeinflusst das Publikum auch im Neufeld den Aufwand für die Badewasser-Aufbereitung. Je sauberer die Schwimmer ins Becken hüpfen, desto schneller und effizienter kann das Badewasser gereinigt werden.

 

«Bade und bschütte»

Dem gereinigten und gefilterten Badewasser wird je nach Besucherzahl und der nötigen Zahl von Rückspülungen der Sand- und Aktivkohlefilter auch Frischwasser zugegeben. Denn gemäss TBDV ist für jeden Badegast eine bestimmte Menge Frischwasser vorgeschrieben. Da es sich beim Schwimmbad um ein geschlossenes System handelt, entsteht so ein Wasser-Überschuss, der verworfen wird. In der Schwimmhalle Neufeld wird das verworfene Wasser entchlort und anschliessend für die Bewässerung der Umgebung und der direkt danebenliegenden Fussballplätze verwendet. Eine clevere Wassernutzung, die sicherlich auch in anderen Badeanlagen Schule machen könnte.

Wie die Beispiele aus Kriens und Bern zeigen, kann die Abwasserwärmenutzung energetisch sehr interessant sein. Angesichts des grossen Potentials dieses Energieträgers sind mehr Projekte wünschenswert. Das Abwasser mag nicht so schick sein wie der «Solarexpress» oder Windparks, doch ist schon heute vorhanden und kann darum auch energetisch genutzt werden.


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