Solarenergie
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07.06.2024
Fabio Giddey, David Stickelberger * / PW

Wege zum Eigenverbrauch von Solarstrom

Seit 2018, nach dem Inkrafttreten des revidierten Energiegesetzes, hat sich der jährliche Zubau von Photovoltaikanlagen verfünffacht. Somit entsteht ein landesweiter dezentraler Kraftwerkspark, der intelligent und sinnvoll verknüpft werden kann.

Heute deckt Solarstrom bereits rund 8 Prozent des Schweizer Strombedarfs. Dabei gilt es, mittels möglichst lokalen Verbrauchs den Ausbau der Stromnetze gering zu halten. Schlüssel dazu ist der Eigenverbrauch. Abbildung 1 zeigt schematisch, was damit gemeint ist.

Abbildung 1: Grafische Darstellung Eigenverbrauch (Bildquelle: Energie Zukunft Schweiz, angepasst)

Abbildung 1: Grafische Darstellung Eigenverbrauch (Bildquelle: Energie Zukunft Schweiz, angepasst)

Abbildung 2: Strompreise ZEV nach dem Leitfaden Eigenverbrauch Version 3.0 (Quelle: EnergieSchweiz)

Abbildung 2: Strompreise ZEV nach dem Leitfaden Eigenverbrauch Version 3.0 (Quelle: EnergieSchweiz)

Abbildung 3: Grafische Darstellung des ZEV. (Bildquelle: Energie Zukunft Schweiz)

Abbildung 3: Grafische Darstellung des ZEV. (Bildquelle: Energie Zukunft Schweiz)

Abbildung 4: ZEV bestehend aus 5 Mehrfamilienhäusern in Itingen BL. (Bild ©Solarspar, Sissach)

Abbildung 4: ZEV bestehend aus 5 Mehrfamilienhäusern in Itingen BL. (Bild ©Solarspar, Sissach)

Solarstrom vom Dach: Preiswerter als Strom vom öffentlichen Netz

Der ans Netz abgegebene Strom wird von vielen Verteilnetzbetreibern (kurz VNB) zu einem tiefen Tarif vergütet (Abnahmevergütung, siehe pvtarif.ch). Das bedeutet: Je mehr Strom direkt vor Ort verbraucht wird (zeitgleicher Eigenverbrauch), desto schneller ist die Solaranlage amortisiert (siehe auch Wirtschaftlichkeitsrechner Swissolar). Es wäre jedoch falsch, deshalb die eigene Solaranlage möglichst klein und ausschliesslich auf Eigenverbrauch optimiert zu bauen – sinnvoll ist in jedem Fall die Nutzung ganzer Dächer. Das sieht besser aus und die Mehrkosten gegenüber einer Teilbelegung sind im Verhältnis gering. Zudem wird der Stromverbrauch in den meisten Haushalten und Betrieben künftig wegen dem Einsatz von Wärmepumpen und Elektromobilität deutlich zunehmen. Eine Photovoltaikanlage (kurz: PV-Anlage) wird in der Regel für eine Betriebszeit von mindestens 25 Jahren ausgelegt und es wäre ineffizienter, die Anlage wenige Jahre nach der Realisation erneut anzupassen oder zu erweitern.

 

Verschiedene Varianten von Eigenverbrauch sind möglich

Aktuell gibt es folgende Wege zur Realisierung von Eigenverbrauch:

 

1) Eigenverbrauch solo

Ein «Prosument» ist zugleich Stromproduzent und Verbraucher. Dies kann beispielsweise ein Einfamilienhaus oder ein Gewerbebetrieb sein, der mit einem Smart-Meter des VNB ausgestattet ist. Nicht selbst verbrauchter und stattdessen ins Netz eingespeister Solarstrom wird dem Prosumenten finanziell vergütet. Im Durchschnitt liegt die Eigenverbrauchsquote bei Einfamilienhäusern bei 30-40 Prozent, sofern keine Batterie eingesetzt wird. In Gewerbebetrieben kann es je nach Verbrauchsprofil auch deutlich mehr sein. Wenn sich jedoch mehrere Endverbraucher mit unterschiedlichen Verbrauchsprofilen zusammenschliessen, so lässt sich der Eigenverbrauch durch die bessere Verteilung deutlich erhöhen.

 

2) Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV)

Beim Schweizer Erfolgsmodell «ZEV» können sich mehrere Verbraucher nicht nur im gleichen Haus, sondern auch über mehrere Grundstücke zusammenschliessen und gegenüber dem VNB als ein Kunde auftreten. Die Smart-Meter bei den einzelnen Endverbrauchern fallen dadurch weg, es wird nur an einer Schnittstelle zum öffentlichen Netz gemessen. Die Messung innerhalb des Zusammenschlusses ist privat zu regeln. Für die Gründung eines ZEV gelten folgende Anforderungen:

-       Die Leistung der PV-Anlage muss mindestens 10% der Anschlussleistung zum VNB betragen

-       Die Produktion und der Verbrauch finden vor Ort statt

-       Das öffentliche Netz darf nicht beansprucht werden
 

Eine ZEV-Gründung muss mindestens drei Monate im Voraus dem VNB gemeldet werden. Bei einem Versorgungsausfall durch den ZEV muss der VNB alle betroffenen Endverbraucher versorgen. Des Weiteren muss geregelt werden, wer den ZEV gegen aussen vertritt, wie die Messung des internen Stromverbrauchs abgewickelt wird und wie die Datenbereitstellung sowie die Verwaltung und Abrechnung geregelt sind.

Bei Mietobjekten sind zusätzliche Regeln zu beachten. In bestehenden Mietverhältnissen müssen Mietende mittels Formularanzeige darüber informiert werden, dass der Strom künftig über die Nebenkosten abgerechnet wird. Dagegen kann innert 30 Tagen Einspruch erhoben werden. Ohne Einsprache stimmt die Mietpartei der Teilnahme am ZEV zu und kann diesen auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr verlassen. Für die Berechnung des internen ZEV-Strompreises gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird er pauschal bei 80 Prozent des externen Referenzstrompreises (Standardprodukt des VNB für die jeweilige Kundengruppe) angesetzt oder bei bis zu 100 Prozent dieses Preises, dann jedoch mit detailliertem Nachweis der effektiven Kosten (siehe Abb. 2).

Bei Zusammenschlüssen von Eigentümern, beispielsweise im Stockwerkeigentum, gelten keine solchen Regeln. Kompliziert kann es jedoch werden, wenn bei einem Stockwerkeigentum nicht alle Parteien mitmachen. Dann braucht es die Einwilligung der Nichtteilnehmenden, dass das Dach genutzt werden kann. Musterverträge für solche Situationen sind beim Schweizerischen Hauseigentümerverband und bei Casafair erhältlich. Weitere Punkte rund um ZEV sind im Leitfaden Eigenverbrauch von Energie Schweiz ausführlich dokumentiert.

Erreicht ein ZEV einen jährlichen Stromverbrauch von über 100 MWh, dürfen die Endverbraucher ihren Strom am freien Strommarkt einkaufen. Die Schwelle von 100 MWh kann in der Regel bereits mit einem ZEV ab 30 Wohnungen erreicht werden. Zusätzliche elektrische Bezüger wie Wärmepumpen und Elektromobilität machen dies oft schon ab weniger Haushalten möglich.

 

3) Praxismodell VNB

Alternativ zum ZEV-Modell bieten viele VNB eine eigene Abrechnungslösung an. In diesem Modell bleiben alle Endverbraucher Kunden des VNB, welcher diese mit dem lokal produzierten Strom versorgt. Zur Teilnahme braucht es die schriftliche Einwilligung der Endverbraucher. Diese können jederzeit zu einem anderen Stromprodukt des VNB wechseln. Die Preisüberwachung erfolgt über die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) und die Datenerfassung erfolgt über die Smart-Meter des VNB. Der VNB bestimmt zudem den Solarstrompreis sowie die zusätzlichen Dienstleistungsgebühren. Ein Wechsel vom Praxismodell VNB zum eigenen ZEV ist jederzeit möglich.

 

Neue Instrumente für den kollektiven Eigenverbrauch

Mit dem «Gesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» (Mantelerlass) sollen ab 2025 neue Instrumente angeboten werden (vorbehältlich der Referendumsabstimmung 9.6.2024). Über den virtuellen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (kurz: vZEV) sollen Zusammenschlüsse künftig auch ohne zwingende physische Anschlussleitung realisiert werden können. Hinter einem Verteilkasten können mehrere Messungen über mehrere Grundstücke hinweg virtuell über die Smart Meter des VNB zusammengeschlossen werden. Neu dazu kommen die «Lokalen Elektrizitätsgemeinschaften» (LEG). Deren Ausdehnung kann voraussichtlich maximal das Gebiet einer Gemeinde umfassen und das öffentliche Netz darf gegen ein reduziertes Entgelt genutzt werden. Diese beiden Instrumente werden, kombiniert mit Energiemanagementsystemen, die intelligente lokale Steuerung von Produktion und Verbrauch nochmals enorm beflügeln.

 

swissolar.ch

*Autoren:

- Fabio Giddey, Spezialist Technik & Betriebswirtschaft, Swissolar

- David Stickelberger, Leiter Markt und Politik, Swissolar


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