Sanitärtechnik

24.04.2024
Michael Staub

Schneller und genauer installieren

Die Vorfertigung ermöglicht grosse Einsparungen bezüglich Zeit, Materialverlusten und Aufwand. Doch in der Sanitärbranche wird sie oft noch mit Skepsis betrachtet. Was kann die Branche gewinnen, und wo funktioniert das Prinzip bereits?

Im Holzbau lautet das Motto seit Langem «from design to production»: Von der Planung im 2D- oder 3D-CAD über die millimetergenaue Vorfertigung im Betrieb bis zur passgenauen Montage auf der Baustelle sind die Prozesse weitgehend digitalisiert. Diese präzise Planung und Ausführung ermöglicht die kurzen Bauzeiten, für welche der Holzbau berühmt ist: Die Vorfertigung von Elementen im Werk mag viele Wochen in Anspruch nehmen, doch die Aufrichte auf der Baustelle verläuft in der Regel zackig innert weniger Tage. Eine derart umfassende Vorfertigung ist in der Sanitärbranche noch nicht überall möglich. Eine bekannte Ausnahme bilden die Vorwandsysteme. In den 1990er Jahren lanciert, ermöglichen sie nicht nur eine deutlich höhere Montagegeschwindigkeit, sondern auch eine deutlich flexiblere Gestaltung der Nasszellen. Auch die sukzessive verschärften Vorgaben bezüglich Schall- oder Brandschutz können mit einem zertifizierten Vorwandsystem viel einfacher eingehalten werden.

 

Vorfertigung für die Vorwand

Der Platzhirsch unter den Vorwandsystemen ist das GIS (Geberit Installations-System), das vor über 30 Jahren eingeführt wurde. Das Grundprinzip von GIS sei gleich geblieben, das System aber ständig gewachsen, sagt Adriano Rapuano, Produktmanager Installationssysteme bei Geberit: «Wir arbeiten kontinuierlich an Verbesserungen, nehmen Inputs und Kundenwünsche auf. Die erste Priorität bleibt das Erfüllen der Anforderungen bezüglich Statik, Schallschutz und Brandschutz.» Digitale Werkzeuge ergänzen das Angebot. Für die schnelle Berechnung von Vorwandsystemen kann der GIS/Duofix-Rechner genutzt werden. Die Software ist wahlweise als Webanwendung oder App für Mobilgeräte erhältlich. «Für den Schnellauszug auf der Baustelle ist die App perfekt», meint Adriano Rapuano. Wer nicht nur die Vorwände, sondern die gesamte Sanitärtechnik planen will, kann den Geberit ProPlanner nutzen. Dieses Programm hilft bei der umfassenden Planung und Kalkulation von Sanitärprojekten. Wie auch der GIS/Duofix-Rechner erzeugt der ProPlanner automatische Material- und Stücklisten sowie Pläne für die Vorfabrikation.

Der Trend zur Vorfertigung habe sich verstärkt, berichtet Adriano Rapuano. «Ein Treiber dafür dürfte der Fachkräftemangel sein. Was bei der Abwasservorfabrikation seit Jahren Standard ist, wird nun zunehmend auch im Bereich BIM2field respektive digitales Z-Mass bei den Versorgungssystemen aktuell. Hier ist noch grosses Potential vorhanden.» Die Vorfertigung sei in der Branche beliebt, weil man die Montage wahlweise in der eigenen Werkstatt vornehmen oder an einen Partnerbetrieb auslagern könne. Das sei nicht nur kostengünstig, sondern spare auch viel Zeit: «Insbesondere bei Sanierungen kann die Umbauzeit mit vorfabrizierten Elementen massiv verkürzt werden. Dies besonders wenn die komplette Installationswand samt Verrohrung vorfabriziert verbaut wird.»

Modularer Klassiker: Mit GIS von Geberit werden seit über 30 Jahren Vorwandsysteme gebaut. (Bilder: zVg)

Modularer Klassiker: Mit GIS von Geberit werden seit über 30 Jahren Vorwandsysteme gebaut. (Bilder: zVg)

Zeitersparnis dank Vorfertigung: Mit Smartcut zugeschnittene Rohre werden nach Räumen konfektioniert direkt auf die Baustelle geliefert.

Zeitersparnis dank Vorfertigung: Mit Smartcut zugeschnittene Rohre werden nach Räumen konfektioniert direkt auf die Baustelle geliefert.

Flexibel und digital

Seit gut 25 Jahren bietet auch die R. Nussbaum AG mit Optivis-Tec ein Vorwandsystem an. Dieses kann wahlweise auf der Baustelle montiert oder in der Werkstatt vorgefertigt werden. Auch dieses System erfüllt alle Brand- und Schallschutzanforderungen. Laut Roland Hubler, Produktmanager Installationstechnik Sanitär bei Nussbaum, ist die Flexibilität des Systems sein besonderer Vorteil: «Bei Mietobjekten werden oft Vorwandsysteme mit geschweissten Rahmen verwendet, und alle Nasszellen werden strikt nach demselben Muster umgesetzt. Bei Eigentumswohnungen gibt es hingegen oft kundenspezifische Wünsche. Unsere Kunden schätzen es sehr, wenn sie das System auch noch auf der Baustelle verändern und anpassen können.» Für die rasche Planung von Projekten hat Nussbaum 2023 die Software Optivis-Project lanciert. «Mit diesem Programm können einfache Badezimmer oder Nasszellen rasch und einfach vom Planer oder Installateur geplant, gerechnet und bestellt werden», erläutert Roland Hubler. Mit der Software können zudem Materiallisten erzeugt oder Bestellungen ausgelöst werden. Für komplexere Projekte habe man nach wie vor Fachleute zur Verfügung, sagt Roland Hubler: «Unser Plantec-Team besteht weiterhin und liefert den Planern und Installateuren zum Beispiel CAD-Pläne, Offerten oder Materialauszüge für ihre Projekte.»

Zu den digitalen Hilfsmitteln gehören auch Online-Werkzeuge zur Bestimmung der minimalen Abmessungen oder der Luftschallanforderungen. «Insbesondere das Luftschall-Tool ist in der Branche einzigartig», meint Roland Hubler. Weitere Dienstleistungen von Nussbaum, welche die Umsetzung auf der Baustelle erleichtern, sind der Masszuschnitt von Rohren, die Fertigung von Rohrbogen nach Kundenwunsch sowie ein Online-Konfigurator für die Unterputz-Armaturen- und Verteilerbox (UP-Box). Dieser Konfigurator bietet gemäss Roland Hubler nicht nur mehr Bequemlichkeit, sondern sorgt auch für eine bessere Planung und Umsetzung: «Man wird Schritt für Schritt durch den Prozess geführt, kann nichts vergessen und erhält am Schluss für jeden Raum ein sauber konfektioniertes Paket mit allen Komponenten direkt auf die Baustelle. Das macht die Montage sehr rationell und schnell.» 

 

Schlauer schneiden

Neben den Lösungen von Geberit und Nussbaum gibt es weitere Möglichkeiten für die Vorfertigung. Dazu gehören zum Beispiel die Dienstleistungen der Müller Wüst AG. Erst 2019 von Lukas Müller und Stefan Wüst gegründet, wurde das Unternehmen bereits letztes Jahr von der Debrunner-Koenig-Gruppe übernommen. Bekannt geworden ist die Firma mit dem modellbasierten Arbeiten. «Ein digitales Fabrikationsmodell ist bei uns Grundlage für alle effizienten Dienstleistungen. Aus diesem Modell leiten wir alles ab, was für das papierlose Montieren auf der Baustelle nötig ist», sagt Geschäftsführer Stefan Wüst. Neben dem Masszuschnitt aller Rohrleitungen bietet die Müller Wüst AG zum Beispiel auch die Planung und Konfektionierung der gesamten Befestigungstechnik an. Die Umsetzung auf der Baustelle erfolgt mit Hilfe der digitalen Absteckung. «Die Bohrpunkte für die Befestigungen haben wir auf dem digitalen Modell definiert. Diese Punkte werden auf der Baustelle nicht mehr von Hand eingemessen und angezeichnet, sondern via Laser markiert. Das ermöglicht ein sehr zügiges Arbeiten», erläutert Stefan Wüst.

Den Masszuschnitt der Rohrleitungen übernimmt ein spezieller Algorithmus mit dem Namen «SMARTCUT». Seine Besonderheit: Der Verschnitt wird dank der klugen Verteilung der einzelnen Rohrstücke auf die 6-Meter-Elemente auf das absolute Minimum gedrückt. Auch Reststücke einzelner Rohre werden in die Berechnungen einbezogen. So bleibe am Ende nicht nur sehr wenig Verschnitt, meint Stefan Wüst: «Man kann damit auch ungefähr 10 Prozent Material sparen. Das freut alle Baubeteiligten.» Bis heute ist der SMARTCUT-Algorithmus frei zugänglich und kann für beliebige Systeme oder Lieferanten genutzt werden. «Wir möchten der Branche etwas zurückgeben. Daneben sind wir überzeugt, dass der Zuschnitt erst der Anfang ist. Es steckt noch viel mehr Effizienzpotential in der Montage der Gebäudetechnik», meint Wüst.

 

Fazit

Wie die Beispiele zeigen, können auch Sanitärinstallateure das Potential der Vorfertigung anzapfen. Gerade für Betriebe, die unter Personalmangel leiden oder sich vermehrt mit Beratungsdienstleistungen profilieren möchten, bieten die verschiedenen Dienstleistungen und Tools interessante Möglichkeiten. Für die Installationsarbeiten in einem Einfamilienhaus sind manche Angebote heute wohl noch etwas überdimensioniert. Doch das Nutzen der neuen, digitalen Möglichkeiten bringt Installationsbetrieben nicht nur einen Zeitgewinn. Sie können so auch an der langsamen Veränderung des Berufsbildes mitarbeiten. Der Sanitärinstallateur von morgen wird nicht mehr einfach «Rohr zämechnüble», sondern ganz selbstverständlich moderne Technik für effiziente Arbeit nutzen – wie die Holzbauer und Schreiner es vorgemacht haben.

 


Vorgefertigte Steigzonen

Während Tragstruktur, Treppenhauskerne oder Fassadenelemente problemlos modularisiert und vorgefertigt werden können, gibt es bei der Sanitärinstallation weiterhin einige Knacknüsse. Doch während der konkrete Ausbau der Etagenverteilungen, Grundrisse und Nasszellen je nach Projekt, Standard und Grundriss sehr stark variieren kann, ist die Planung der vergleichsweise einfachen Steigzonen einiges leichter. Bei einer zeitgemässen Planung können diese sogar komplett vorgefertigt werden. Bereits 2017 setzte die Methabau AG dieses Prinzip beim «B & B Hotel Zürich Airport» in Rümlang um.  Bei diesem Projekt wurden 18 Steigzonen komplett vorgefertigt. Die Module beinhalteten unter anderem Vorlauf und Rücklauf für Kühlung und Heizung, Frischwasserstationen sowie Abwasserleitungen, Zu- und Abluftkanäle und die Elektrozuleitungen. Auf der Baustelle beanspruchte der Einbau einer Steigzone mittels Krans ungefähr 15 Minuten.

Das Potential vorgefertigter Steigzonen wurde auch bei weiteren Projekten genutzt, so etwa bei der 2021 bezogenen Wohnsiedlung Herdern. Bauherrin ist die Stadt Zürich, die Siedlung umfasst 46 Einheiten im gemeinnützigen Wohnbau. Die Steigzone entsteht hier gewissermassen durch das Aufeinanderstapeln von vorfabrizierten Modulen. Diese enthalten die Steigleitungen und Verteilungen für Heizung, Sanitär, Lüftung, Elektrotechnik sowie Kommunikation. Hersteller der Module war die Dresohn AG. Die Module wurden in deren Werk montiert, die Gehäuse erhielten eine Schalldämmung und alle Durchdringungen die notwendigen Brandschutzmassnahmen. Der Einbau auf der Baustelle lief danach zügig. Aufgrund der guten Erfahrungen konnte das Modul weiterentwickelt und entschlackt werden. Neu wird zum Beispiel die Stahlplatte auf seiner Oberseite als Schalungsersatz genutzt. So kann mit Ortbeton gearbeitet werden, und der früher übliche Betonsockel entfällt. Bei der Siedlung Nidfeld in Kriens LU (Generalunternehmer: Losinger Marazzi), kamen insgesamt 193 solcher Module zum Einsatz.


 


Das könnte Sie auch interessieren:



Newsletter

Abonnieren Sie den gebäudetechnik.ch-Newsletter und bleiben Sie auf dem Laufenden. Wir liefern Ihnen interessante Berichte, Hintergrundinformationen, Veranstaltungshinweise und vieles mehr rund um das Thema vernetzes Bauen.





close