Automation

Das Sunnäplätzli in Giswil OW kurz nach der Fertigstellung. Quelle: Manuela Talenta

12.08.2025
Manuela Talenta

Smarte Mietwohnungen

Smarthome-Technologien finden sich bislang vor allem in Wohneigentum. Lassen sie sich auch in Mietwohnungen integrieren – und ist das bezahlbar?

Auf den ersten Blick wirkt die Wohnüberbauung Sunnäplätzli im 4000-Seelen-Dorf Giswil im Kanton Obwalden wie ein typischer, modern gehaltener Holzbau: zurückhaltende Architektur, klare Linien, viel Tageslicht. In den zwei kompakten Mehrfamilienhäusern finden insgesamt 15 Wohnungen Platz. Doch hinter der schlichten Fassade steckt Technik, die man in dieser Form bisher wohl nur selten in Mietwohnungen findet: Storen, die sich je nach Wetter automatisch bewegen. Leuchten, die über Bewegungsmelder gesteuert werden. Und eine App, mit der sich das Smarthome-System nach persönlichen Vorlieben programmieren lässt.

 

Wohnkonzept mit Pionieranspruch

Die Liegenschaft gehört der Korporation Giswil und wurde im Dezember 2020 fertiggestellt. Korporationspräsident Remo von Ah: «Wenn nicht wir als öffentlich-rechtliche Körperschaft so etwas ausprobieren, wer dann?» Die Idee, moderne Hausautomation in einem reinen Mietobjekt zu integrieren, war für die Korporation nicht nur ein technisches Experiment, sondern auch ein Statement: Fortschritt, Nachhaltigkeit und sozialer Auftrag müssen einander nicht ausschliessen. Kostenpunkt für die smarte Ausstattung? «Rund 67 500 Franken zusätzlich», so Remo von Ah. Umgerechnet also etwa 4500 pro Wohnung. «Das lag vor allem an Komponenten wie Aktoren oder Miniservern. Was es natürlich gibt, sind systembedingte wiederkehrende Kosten. Sie entstehen zum Beispiel, wenn etwas programmiert werden muss, das unsere Fähigkeiten übersteigt. Wir als Bauherrschaft wissen zwar viel über die Funktionen des Systems, aber eben nicht alles.»

 

Smarte Technik, pragmatisch gedacht

Für die Korporation war von Beginn an klar: Das Sunnäplätzli sollte kein übertechnisiertes Vorzeigeprojekt werden, sondern vor allem alltagstauglich sein. «Wir wollten nicht zu viel Schnickschnack», betont Remo von Ah. Deshalb entschied man sich für eine Grundinstallation, die komfortabel, jedoch nicht überladen ist. Die gewählte Architektur- und Technikstrategie erlaubt aber eine nachträgliche Erweiterung des Systems. So kann zum Beispiel die Alarmierung bei einem Sturz in der Wohnung nachgerüstet werden. «Tatsächlich», so der Korporationspräsident, «war die eigentliche planerische Herausforderung nicht die Integration smarter Komponenten, sondern zu definieren, wie smart die Wohnungen überhaupt werden sollen».

 

Hightech muss nicht teuer sein

Trotz hochwertigem Innenausbau, Holzbauweise und viel Technik bewegen sich die Mieten im ortsüblichen Rahmen, sogar etwas darunter. Martina Wiesner, Leiterin Immobilien bei der Korporation Giswil: «Eine 2,5-Zimmer-Wohnung kostet netto rund 1000 Franken, 3,5-Zimmer-Wohnungen etwa 1500 Franken und 4,5-Zimmer-Wohnungen zwischen 1800 und 2000 Franken.» Remo von Ah ergänzt: «Wenn ich schaue, was Mietwohnungen in anderen Neubauten der näheren Umgebung kosten, würde ich sagen, dass wir ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis haben. Und so soll es auch sein.» In der Tat sollte das Sunnäplätzli keine übertriebene Rendite abwerfen, in erster Linie habe man bezahlbaren Wohnraum bauen wollen.

 

Vom alten Haus in die neue Wohnung

Paul und Elisabeth Abächerli gehörten zu den Ersten, die sich für eine Wohnung im Sunnäplätzli bewarben, und sie zogen als Erstmieter im Dezember 2020 in eine 4,5-Zimmer-Wohnung in der obersten Etage ein. Paul Abächerli blickt aus dem Fenster in Richtung Berge und zeigt auf das Dach eines Hauses. «Dort wohnten wir vorher viele Jahre lang. Doch die 6,5 Zimmer waren einfach zu gross, nachdem die Kinder ausgezogen waren.» Die Miete sei dort zwar günstiger gewesen. «Aber es war auch ein altes Haus, an dem die Eigentümerschaft während Jahrzehnten so gut wie nichts erneuerte.» Jetzt zahlen Abächerlis 2400 Franken pro Monat inklusive Nebenkosten-Akonto und einem Parkplatz in der Tiefgarage.

 

Das grüne Lämpchen

Für das Rentner-Ehepaar war das Smart­home-System beim Einzug zunächst Nebensache. «Wir wussten zwar, dass wir in ein Smarthome zügelten, aber wir beschäftigten uns nicht gross damit. Das war uns nicht so wichtig.» Doch mit der Zeit lernten sie die Vorzüge zu schätzen. Elisabeth Abächerli zeigt mit dem Finger auf ein Lämpchen am Steuerpanel: «Es leuchtet grün, wenn es Stromüberschüsse gibt», erklärt sie. Das Sunnäplätzli ist ein Plus-Energie-Objekt. Das bedeutet, die Eigenenergieversorgung liegt bei über 100 Prozent. Die zwei Gebäude sind nämlich nach Süden ausgerichtet und mit einer vollflächigen Indach-Solaranlage ausgestattet. Dafür wurde die Liegenschaft 2021 mit dem Sondersolarpreis für Mehrfamilienhäuser der Migros-Bank ausgezeichnet. Elisabeth Abächerli: «Bei Grün starte ich den Geschirrspüler oder wasche unsere Wäsche, das spart Stromkosten.» Jede Wohnung verfügt über einen eigenen Waschturm. Der befindet sich allerdings im Keller. «Im Fall eines Wasserschadens ist das sicherer», so Remo von Ah. Das stört Elisabeth Abächerli nicht, denn sie muss keine Treppen steigen, sondern kann mit dem Lift hinunterfahren. «Als Rentner sind wir flexibel genug, um dann zu waschen, wenn die Solaranlage Überschüsse produziert», sagt sie. Mit den Storen haben Abächerlis dann und wann allerdings Mühe. Paul Abächerli: «Es ist zwar praktisch, dass sie automatisch hoch- und runtergehen, wenn es draussen stürmt oder drinnen zu warm wird. Aber manchmal machen die Storen auch einfach, was sie wollen.»

 

Hilfe ist nur einen Anruf entfernt

Wenn so etwas passiert, ist die Mieterschaft dem jedoch nicht ausgeliefert, sondern sie kann die Storen einfach manuell steuern. Kommt sie nicht selbst zurecht, reicht ein Anruf, und jemand von der Korporation kommt vorbei. Martina Wiesner erinnert sich an einen Fall vor etwa einem Jahr: «Einige Mieterinnen und Mieter hatten Probleme mit der Lüftung in ihrem Badezimmer. Sie stellte einfach nicht mehr ab.» Grund war eine suboptimale Grundprogrammierung. «Wir konnten das allerdings problemlos beheben, sodass die Lüftung nun ausschaltet, wenn das Licht gelöscht wird und drei Minuten vergangen sind.» Im Grossen und Ganzen gibt es jedenfalls keine Klagen seitens der Mieterschaft. Sie kommt gut mit den smarten Technologien zurecht und tauscht sich bei Bedarf auch untereinander aus. Zieht jemand Neues ein, übernimmt in der Regel jemand von der Geschäftsstelle die Einführung ins Smarthome-System. «Wir erklären, wie alles funktioniert und welche Möglichkeiten bezüglich Programmierung bestehen.» Zusätzlich erhalten alle neuen Mieterinnen und Mieter ein Handbuch. Darin stehen Informationen zum System und seiner Funktionsweise. Ebenfalls enthalten sind die von der Korporation Giswil programmierten Szenen sowie Anweisungen, wie diese Szenen den Bedürfnissen der Mieterschaft angepasst werden können. Martina Wiesner: «Die zum System gehörige App haben die meisten auf ihrem Smartphone installiert. Aber nur wenige greifen tief in die Steuerung ein.» Remo von Ah ergänzt: «Die Liegenschaft ist auch ohne App smart.» Und was ist mit dem Datenschutz? «Das ist überhaupt kein Thema», sagt Paul Abächerli. Das gilt auch für die anderen Mieter im Sunnäplätzli. «Da gab es keine Bedenken», weiss Remo von Ah.

 

Ein Modell mit Signalwirkung

Noch sind Projekte wie das Sunnäplätzli rar – zu hoch scheint die Hemmschwelle für viele Bauträger. Dabei zeigt dieses Projekt: Ein Smarthome muss nicht luxuriös, kompliziert oder teuer sein. Es kann auch pragmatisch, energieeffizient und sozial sein, wenn die richtigen Weichen gestellt werden. Dass das Konzept als Mehrwert empfunden wird, zeigt sich übrigens auch im Alltag. Martina Wiesner: «Einige Mieterinnen und Mieter sind mittlerweile wieder ausgezogen, weil sie Wohneigentum gekauft haben. Dort installierten einige von ihnen bestimmte praktische Funktionen, die sie im Sunnäplätzli kennengelernt hatten.»


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